Sonntag, 19. Dezember 2010

Das Christkind

Ein Märchen

Das Christkind

Vor langer Zeit trafen sich einst die Weihnachtsmänner, um unter sich den Besten auszumachen. Ein Herold zog durch die Lande und verkündete die Bedingungen des Wettbewerbs. Die Weihnachtsmänner sollten sich in fairem Wettkampf untereinander messen. Der Beste sollte eine Reise ins ferne Afrika und ein Preisgeld gewinnen.

Am zweiten Adventssonntag war es soweit. Vierzig Weihnachtsmänner aus allen Teilen der Welt fanden sich auf einem verschneiten geheimen Ort in den Bergen ein.

Die Schiedsrichter betrachteten sich die Teilnehmer sehr genau. Alle Weihnachtsmänner hatten einen weißen Rauschebart, trugen eine rote Mütze, ihre Stiefel und den rot-weißen Mantel, bis auf eine Ausnahme. Das sah doch alles Perfekt aus.

Eine Person störte, die gehörte nicht in dieses Bild. Ein Engel mit weißem Kleid und Engelsflügeln stand mittendrin in der Schar.

Dem Oberschiedsrichter behagte dies überhaupt nicht.

„Seit wann dürfen Engel an unseren Wettkämpfen teilnehmen?“

Ein großes Geraune erfüllte den Berg. Die Weihnachtsmänner sprachen sich energisch gegen die Beteiligung eines Engels aus. Das störte den Engel wenig.

„Ich habe die gleichen Rechte wie ihr, außerdem will ich auch die Kinder bescheren.“

Einer der Weihnachtsmänner machte einen Schritt auf sie zu und zeigte mit der ausgestreckten Hand nach ihr.

„Schaut euch das zarte Engelchen an! Die will es mit uns aufnehmen. Ho! Ho! Haben wir damit ein Problem, wir sind allemal stärker, besser und vor allem schneller als dieses Persönchen.“

Da lachten die Weihnachtsmänner laut schallend und vor allem weit hörbar auf. Das Engelchen ließ sich davon nicht entmutigen.

„Wenn ihr schon so sicher seit, dann lasst uns doch den Wettkampf austragen. Am Ende werden wir sehen, wer gewinnt.“

„Ho! Ho! Ho!“ Die Weihnachtsmänner lachten das Engelchen nur aus.

Der Oberschiedsrichter hingegen stimmte ihrem Anliegen zu.

„Unsere Weihnachtsmänner haben keine Angst vor Engel! Wir wollen den Kampf auf faire Art austragen, möge der Beste gewinnen.“

Ein Weihnachtsmann rief spöttisch. „Ist doch klar, wer hier gewinnt, einer von uns!“

Das Engelchen überhörte diese Worte und stellte sich dem Wettkampf. Die Aufgaben waren sehr schwer zu lösen.

Die schweren Schlitten mussten von Hand gezogen werden. Das Engelchen musste sich da schon mächtig anstrengen, um mitzuhalten. Am Ende hatte es die Nase vorne.

Die Weihnachtsmänner waren überrascht.

Die nächste Aufgabe gefiel dem Engelchen schon besser. Es sollte Kinder trösten. Am Ende hatte es auch bei dieser Aufgabe die Nase vorne.

Die Weihnachtsmänner machten sich keine Mühe ihren Groll zu verbergen.

Die Aufgabe Geschenke einzupacken war genauso wenig ein Problem für unser Engelchen.

Die Verärgerung unter den Weihnachtsmännern kannte fast keine Grenzen mehr. Ein Weihnachtsmann rief laut anklagend.

„Dieses Engelchen will uns der Blamage preisgeben!“

Eine Stimme im Hintergrund rief.

„Bleibt fair ihr Leute oder wollt ihr Ärger haben mit mir?“ Da drehten die Weihnachtsmänner die Köpfe um und raunten.

„Jesus ist da! Wo kommt der her?“

„Habt ihr vergessen, Weihnachten ist das Fest meiner Geburt. Habe ich euch nicht gelehrt, euch anständig zu benehmen? Macht mir bloß keine Schande hier. Die Engel sind übrigens die Boten meines Vaters, die gehören genauso in die Weihnachtszeit wie ihr.“

Da schwiegen die Weihnachtsmänner betroffen.

Immerhin dieses Engelchen konnte bestimmt keine Hufe schmieden für die Rentiere. Hätten sie am Anfang nur nicht so laut gelacht.

Das Engelchen hatte auch bei diesem Wettbewerb die Nase vorne.

Einer der Weihnachtsmänner sagte leise. „Aber das Rentierrodeo gewinnt sie nicht. Niemals! Das beherrschen nur echte Weihnachtsmänner.“

Weit gefehlt, das Engelchen gewann auch diesen Wettbewerb mit viel Geschicklichkeit zeigte es sein Talent.

Da klatschten nun die Weihnachtsmänner endlich den verdienten Beifall.

Der Oberschiedsrichter verkündete den Sieg des Engelchens. Da machten die Weihnachtsmänner eine Verbeugung und entschuldigten sich bei dem Engelchen. Ein Weihnachtsmann fragte dennoch.

„Wie ist das möglich? Immerhin ist es ungewöhnlich, ein Engelchen vom Himmel kommt als Weihnachtsfrau daher.“

Da lachte das Engelchen in seinem weißen Kleid und seine Flügel schlugen vor Freude.

„In meiner Heimat ist das Christkind die Symbolfigur für Weihnachten. Das ist das Fest des Friedens und der Freude auf Erden. Unsere Aufgabe ist es, dies den Menschen zu verkünden. Vergesst darüber nicht die Kinderherzen, sie brauchen sehr viel Liebe und Zuwendung.“

Seit dieser Zeit hat das Christkind offiziell die Aufgabe übernommen, die Kinder in dieser Welt, unter dem Weihnachtsbaum zu beschenken.

© Bernard Bonvivant, Autor des Romans Das Chaos